Aus der Geschichte der Königlichen Militär-Eisenbahn
Aufgeschrieben von unserer Ortschronistin Gisela Bölke
Am 20. Oktober 2001 wurde im Museum des Teltow in Wünsdorf die Ausstellung
"Von der Kanonenbahn zum Schienenbus"
aus Anlass der 300 Wiederkehr der Entstehung Preußens eröffnet. Diese Ausstellung soll eine Epoche der preußischen Militärgeschichte beleuchten, die gleichzeitig auch ein Stück Verkehrs-, Wirtschafts- und Baugeschichte beinhaltet. Da die königlich preußische Militärbahn, ebenfalls unter dem Namen "Kanonenbahn" bekannt, auch für unseren Ort - JÄNICKENDORF - von wichtiger Bedeutung war, möchte ich heute einiges aus ihrer Geschichte erzählen. Wie aus alten Unterlagen zu ersehen ist, hatte sich das preußische Kriegsministerium bereits am 9. November 1871 mit dem Bau einer Eisenbahn einverstanden erklärt, welche den von Berlin/Tegel nach einer weiter von Berlin entfernten Stelle zu verlegenden Schießplatz der Artillerie-Prüfungskommission mit Berlin verbinden sollte. Am 15. Oktober 1875 wurde die Strecke vom Militärbahnhof in Schöneberg über Zossen zum Schießplatz im Kummersdorfer Forst eröffnet.
Auf Drängen der Berlin-Dresdner Eisenbahngesellschaft wird im November 1888 der zivile Personenverkehr auf dieser Strecke eingerichtet, da auch der Chef des Generalstabes der Armee die Übernahme des Privatverkehrs zur Vermehrung des Betriebes auf der Bahn für erwünscht bezeichnet hatte. Zustimmung musste neben dem Kriegsministerium ebenfalls das Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten geben. Am 26. Februar 1889 regte das Kriegsministerium die Verlängerung der Militäreisenbahn nach Jüterbog an, da für die Garnison Berlin der immer mehr an Wichtigkeit gewinnende Schießplatz Jüterbog auch für die Ausbildung des Eisenbahnregiments an Bedeutung zunahm. Für den Bau war in erster Linie die militärische Nutzung von Bedeutung, nicht etwa die Frage der mutmaßlichen Rentabilität. Hauptzweck der Verlängerung der Militär-Eisenbahn war also deren Nutzung zur Heranbildung eines zahlreichen Betriebspersonals für den Kriegsfall. Nachdem durch allerhöchsten Erlass vom 7. Februar 1894 das Recht auf Enteignung der in Frage kommenden Grundstücke ausgesprochen und die erforderlichen Mittel bereit gestellt waren, konnte nunmehr mit dem Grunderwerb und dem Bau begonnen werden. Die neue Strecke begann am Bahnhof Schießplatz (Cummersdorf) in südwestlicher Richtung, bald eine mehr westliche annehmend, welche auf ca. 13 km fast ununterbrochen beibehalten wurde. An dieser Strecke liegen die Stationen Schönefeld, Jänickendorf und Kolzenburg. Von den Bahnhöfen erhielten der in Schönefeld, Jänickendorf und Werder-Zinna Ausweichgleise von 500 m Länge, der von Kolzenburg nur eins von einer halben Militärzuglänge. Die Bahnhofsgebäude dieser vier Orte wiesen die gleiche Bauart auf. Außer der Diensträume für das Stationspersonal und der Warteräume befanden sich darin noch Stuben für die Unterbringung des Stations- und Streckenpersonals, ein Anbau diente als Güterschuppen. Jede Station war mit den vorgesehenen Anlagen wie: Brunnen, Latrine, Laderampe und Ladeprofil versehen. Für Jänickendorf war ursprünglich noch die Anlage einer Wasserstation geplant, welche aber aus kostentechnischen Gründen nicht gebaut wurde. Als größeres Bauwerk wurden unter anderem noch zwei eiserne Brücken (T-Träger) von je 5,5 m Spannweite über das Hammer- bzw Schwemmfließ zwischen Schönefeld und Jänickendorf errichtet. Die Station Jänickendorf erhielt neben dem Anschlussgleis für die Holzhandlung Witte & Sohn zusätzlich eine neue Centesimalwaage. Am 1. Februar 1896 war es dann endlich soweit - der Eisenbahnabschnitt Kummersdorf Schießplatz/ Jänickendorf wurde in Betrieb genommen. Die Höchstgeschwindigkeit der Züge betrug zu damaliger Zeit auf dieser Strecke 15 km/h.
Auf den Stationen Schönefeld, Jänickendorf, Kolzenburg und Werder-Zinna wurden nur Einfahrtssignale mit Vorsignalen aufgestellt, die durch das im Stationsgebäude untergebrachte Stellwerk bedient wurden. Alle Signale waren untereinander so abhängig, dass bei der Stellung des Signals auf "Freie Fahrt" alle anderen verriegelt waren, deren Freigabe die beabsichtigte Fahrtrichtung gefährden würde. Bis zur Eröffnung der gesamten Strecke verkehrte am Tag zunächst nur ein Zug, vom 1. Juni ab noch ein zweiter in jeder Richtung. 1899 wurde die Jüterbog - Luckenwalder Kreis - Kleinbahn an die Militär - Eisenbahn angeschlossen. Diese Kleinbahn verband die Städte Jüterbog, Dahme und Luckenwalde miteinander und kreuzte die Militärbahn nördlich Jänickendorf auf einer eisernen Brücke, deren Mauerreste bis heute zum Teil noch erhalten sind. Für den Übergang von Gütern wurden auf dem Bahnhof Jänickendorf Übergabegleise mit den erforderlichen Überladerampen angelegt. Im Jahre 1900 erhielt die Station Jänickendorf Ausfahrtssignale, welche bisher nur auf den größeren Bahnhöfen in Berlin und Jüterbog vorhanden waren. Außerdem wurden die Gleisanlagen durch ein weiteres Gleis erweitert. So erfüllte die "Kanonen-Bahn" schon zu dieser Zeit nicht nur ihren eigentlichen Zweck, nämlich die Heranbildung eines im Betriebsdienst geschulten Personals für den Kriegsfall, sondern sie hatte auch eine Gegend dem Verkehr erschlossen, deren Schätze früher abseits von der großen Straße gelegen, zum größten Teil unausgenutzt ruhten. Erst das "schnaubende Dampfross" hat diese Güter hauptsächlich in der Gestalt von Ziegelsteinen, von Gips und Nutzholz dem Weltmarkt zugeführt. So durfte sich die Militär - Eisenbahn schon zu jener Zeit getrost mit anderen Bahnen messen. Nach dem Fahrplan vom 1. Mai 1900 brauchte der auf der Strecke von Jüterbog bis Berlin verkehrende Schnellzug 1 Stunde u. 15 Minuten. Der Personenzug benötigte von Jüterbog bis Kummersdorf 1/2 Stunde. Die Jänickendorfer Station wurde, wie auch die anderen neu gebauten, für den Personen-, Gepäck-, Güter- und Depeschenverkehr sowie den Viehverkehr genutzt. Herr Donath aus Stülpe, ein ehemaliger Angestellter der Kleinbahn, berichtete 1992 aus eigenem Erleben: "Das Bahnpersonal bestand zu Beginn aus Soldaten, die auf den einzelnen Bahnhöfen stationiert waren. Ein Offizier war der Kommandant. Die Soldaten waren zum Teil nicht mehr wehrfähig. Morgens gingen sie auf ihre Dienstposten. In Jänickendorf waren zum Beispiel 7 Posten zu besetzen; an jedem öffentlichen Überweg. Sie hatten alle ein massives Wärterhäuschen, sogar eine Wasserpumpe. Eine Schranke war am Mittelweg zur "Hörste", Nr.2 am "Riesenweg", Nr.3 Feld- u. Wiesenstraße, Nr.4 Hauptstraße, Nr.5 Kleinbahnhof, Nr.6 Holbecker Stadtweg neben der Kleinbahnbrücke und Nr.7 Stülper Stadtweg, Sielenwiesen." Nachdem die Könglich Preußische Militär Eisenbahn viele Jahre in erster Linie militärische Zwecken diente, gewann ihre Daseinsberechtigung immer mehr für den Personenverkehr an Geltung. Nach 1945, von der Deutschen Reichsbahn übernommen, war die Strecke Zossen-Jüterbog eine wichtige Verbindung für die sowjetischen Truppeneinheiten und ihre Angehörigen. Eine zunehmend wichtige Rolle nahm sie aber von da ab auch für die arbeitende Bevölkerung der anliegenden Dörfer ein. Viele Leute gingen nach Berlin arbeiten. Autos waren zu dieser Zeit Mangelware. So waren die aus beiden Richtungen fahrenden je acht Züge meist gut besetzt. Zu einem war in Zossen sofort Anschluss nach Berlin, zum anderen für die Soldaten und deren Angehörigen Bahnanschluss nach Wünsdorf. Mit der Wiedervereinigung 1990 und dem folgenden Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Kummersdorf, Wünsdorf und Jüterbog war die Bahn bald nicht mehr gefragt. Immer mehr Leute stiegen aufs Auto um und das Fahrgastaufkommen ging drastisch zurück. Wen wundert es, dass der Königlich preußischen Militärbahn das Ende beschieden war. Am 31. Mai 1996, 100 Jahre nach ihrer Jungfernfahrt in unserem Ort, hielt letztmalig eine Eisenbahn in Jänickendorf. Von der Stilllegung der Zossener Bahnlinie war nicht nur Jänickendorf betroffen, sondern auch Werder, Schönefeld und Kummersdorf Gut. Ab Sperenberg blieb die Zugverbindung.
Heute, im Jahr 2001, besteht wieder eine Chance für eine neue Nutzung - zwar nicht für die Eisenbahn, aber wenigstens für die alten Gleise und vielleicht auch für die alten Bahnhofsgebäude. Bald könnte es heißen: Von der Kanonenbahn zum Schienenbus Wenn alles klappt, werden bald Draisinen die alten Gleise zu neuem Leben erwecken. Die Pläne dafür sind jedenfalls vorhanden und wie ich bei der Eröffnung der Ausstellung in Kummersdorf hörte, hat die Deutsche Bahn endlich ihr Licht dafür auf grün gestellt. Dann zieht vielleicht auch wieder Leben in die betagten Bahnhofsgebäude ein. Gut vorstellbar wäre eine Nutzung auf dem Gebiet der Gastronomie oder in Verbindung mit dem Rad- und Inlineskater - Weg bei uns hier in Jänickendorf eine Ausleihstation für entsprechende Sportgeräte.
G. Bölke Orts-Chronistin
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