Die HF-Wagen der Luckenwalde-Jüterboger Kleinbahn
Die DDR hatte eine Eisenbahn, die Deutsche Reichsbahn. Zu ihr kamen 1949 die ehemaligen Privatbahnen aller Spurweiten. So auch die 750 mm-spurigen Jüterbog-Luckenwalder Kreiskleinbahnen (JLKB). Letztere wurden im Dezember 1900 eröffnet und 1939 stillgelegt. Die Heeresfeldbahnen der Wehrmacht kauften die Bahn und nutzten sie fortan als Übungsstrecke für Eisenbahnpioniere und Teststrecke für neuentwickelte Feldbahnfahrzeuge. 1945 wurde die JLKB als Luckenwalde-Jüterboger Kleinbahn (LJK) neu gegründet. Der Fahrzeugpark wuchs mit den Jahren und ist der wohl interessanteste bei den DR-Schmalspurbahnen gewesen. So kamen auch viele Heeresfeldbahnwagen nach Dahme (Mark), dem Zentrum der Strecke. Der lange HF-Personenwagen DR-Nr. 970-222 wird als in der DDR verblieben schon seit Jahren auf dieser Website erwähnt. Es gab aber wesentlich mehr Fahrzeuge bei der LJK! • 970-222 • Foto in "Auf schmaler Spur nach Norden" von Günther Meyer auf Seite 138 So waren sechs leichte offene Feldbahnwagen mit Bremse und 1200 mm Achsstand vorhanden. Vier wurden wegen des anfänglichen Wagenmangels mit einfachsten Mitteln zu H-Wagen umgebaut. Die Drehschemel entstanden aus altem Schienenprofil. • 97-70-11 • Hw • 97-70-12 • Hw • 97-70-13 • Hw • 97-70-14 • Hw • 97-70-21 • Ow • 97-70-22 • Ow • Foto in "Schmalspurbahnen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg" von Preuß/Preuß auf Seite 146
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Die "leichten Feldbahnwagen (alte Form)" waren aufgebaut auf folgenden Unterwagen:
· Ungebremst mit 900 mm Radstand und 600 mm Spurweite · Ungebremst mit 1100 mm Radstand und 750 mm Spurweite
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· Gebremst mit 1000 mm Radstand und 600 mm Spurweite · Gebremst mit 1200 mm Radstand und 750 mm Spurweite
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Die vierachsigen offenen Vorbauwagen, Baujahr 1941, waren mit sechs nachgewiesenen Exemplaren vertreten. Es können mehr gewesen sein, denn bei drei Wagen (97-70-36, 97-70-37 und 97-70-41) in der Nummernreihe ist die Bauart noch ungeklärt. • 97-70-33 • OOw • 97-70-34 • OOw • 97-70-35 • OOw • 97-70-38 • OOw • 97-70-39 • OOw • 97-70-40 • OOw
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Nach dem zweiten Weltkrieg kamen 1947 viele dieser Wagen zur Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück, zur Cloppenburger Kreisbahn und zur Hümmlinger Kreisbahn. Nach Stilllegung der LBQ im Jahre 1952 sind einige Wagen zur Kleinbahn Philippsheim Binsfeld umgezogen, wo sie bis 1965 eingesetzt wurden. Auch bei der DR und in Österreich wurden die Wagen nach dem zweiten Weltkrieg eingesetzt.
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Der Nachfolgetyp mit 8700 mm LüP, Baujahr 1943, war mit zwei Wagen präsent. • 97-70-82 • OO • 97-70-88 • OO • Foto von einem dieser beiden Wagen in "Heeresfeldbahnen" von Alfred B. Gottwaldt auf Seite 388
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Diese Bauart ist deutlich länger. Die feldbahntypischen Aufbauten der vorherigen Bauarten sind verschwunden, die Wagen sehen jetzt viel erwachsener aus. Die Länge von 8700mm ist einschließlich den Puffern.
Kleine Detailunterschiede gab es, wenigstens Wagen 75851 und vermutlich alle drei Wagen der ÖBB haben keine Diagonalverstrebungen und andere Türen als auf der Zeichnung.
Drei Wagen kamen zur ÖBB und bekamen die Nummern 75850 - 75852. 1975 bekamen zumindest zwei Wagen die Nummern 75 850-3 und 75 851-1. Diese zwei Wagen wurden 1989 in Schotterwagen 91 794 und 91 795 umbezeichnet. Mir ist unbekannt ob die Wagen in Österreich noch existieren.
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Bei einem vierachsigen gedeckten Wagen wird vermutet, dass es sich um einen HF-Wagen der Bauart 1941 handelte, also einem Schwesterfahrzeug der Vorbauwagen. • 97-71-61 • GGw
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Nach dem zweiten Weltkrieg kamen 1947 viele dieser Wagen zur Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück, zur Cloppenburger Kreisbahn und zur Hümmlinger Kreisbahn. Nach Stilllegung der LBQ im Jahre 1952 ist ein Wagen zur Kleinbahn Philippsheim Binsfeld umgezogen, wo er bis 1965 eingesetzt wurde. Auch bei der DR wurden die Wagen nach dem zweiten Weltkrieg eingesetzt.
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An die HF wurden aber auch Wagen der Einheitsbauart für 750 mm-Spur geliefert. Jeweils sieben offene und gedeckte Vierachser kamen von dort zur LJK. Von den gedeckten Wagen wurden zwei zu Gepäckwagen umgebaut. Auch von der HF kamen drei sächsische Oberlichtwagen nach Dahme (Mark). Sie wurden von der HF für die HF-Flugplatzbahn Reinsdorf angekauft und waren damit auch HF-Wagen. [Eberhard Dassow, Juni 2009, ergänzt März 2010]
Der Bau von Reisezugwagen für die deutsche Heeresfeldbahn
Im Jahr 1940 fertigte das Linke-Hofmann-Busch-Werk in Bautzen im Auftrag der Deutschen Wehrmacht eine erste Serie vierachsiger Sitzwagen mit 750 mm Spurweite für die Heeresfeldbahn. Diesen Wagen mit einer LüP von 11,20m folgte im Jahr 1943 eine ebenfalls unbekannte Stückzahl von Sitzwagen mit 14,60m Länge über Puffer. Gedacht waren die Wagen für den Einsatz auf dem geplanten Schmalspurnetz in den besetzten Teilen der Sowjetunion, welches eine Länge von über 2000km umfassen sollte. Nach der Schlacht bei Stalingrad im Februar 1943 erübrigte sich dessen Bau, da sich die Front gegen Westen verlagerte. Wie bereits erwähnt, stellten die über zwölf Jahre zuvor entwickelten "Einheitswagen" der RBD Dresden die Basis des neuen HF-Wagentyps - Baujahr 1943 - dar. Äußerlich nur leicht modifiziert, waren die 750 mm-Wagen vor allem an den abgerundeten Dachenden und den hüfthohen Bühnentüren anstelle der Scherengitter erkennbar. Die Breite der Wagen betrug 2,33m, der Drehzapfenabstand 9m. Der Abstand von der Schienenoberkante bis zu den Dachlüftern überschritt knapp die Dreimetermarke. Der Achsabstand im Drehgestell maß 1,30m. Der Überhang vom Drehzapfen zum Bühnenende lag bei 2,40m. Die Zug- und Stoßvorrichtung war dem Feldbahnprinzip angepasst, sodass die Länge über Puffer 14,60m betrug, während die DRG-Wagen mit Scharfenberg-Kuppelköpfen nur 14,46m erreichten. Aufgrund der zu den bisherigen HF-Wagen vergleichsweise immensen Wagenhöhe wurden die Kupplungsteller der Wolter-Balance-Kupplung an der Zugstange (32,5cm über Schienenoberkante) etwas tiefer angebracht, um auch an Kupplungsteller niedriger Wagen anstoßen zu können. Neben einer Handspindelbremse verfügten die HF-Wagen über eine Druckluftbremse der Bauart Knorr. Identisch mit den Wagen aus dem Beschaffungsprogramm von 1929 - 1932 entstanden im Jahr 1943 die HF-Wagen der 2. Klasse mit sechs und Wagen der 3. Klasse mit sieben großen Fenstern pro Seitenwand - ohne Toilettenbereich. Dieser Bereich war etwa in Wagenmitte angeordnet und pro Wagenseite mit je einem schmäleren Fenster versehen. Gegenüber der nach innen in den Abortraum schwenkenden Tür befand sich ein einzelner Sitz. Ob die 2.-Klasse-Wagen (B4) mit ähnlichen Polstern wie 1929 geliefert wurden, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Wie Innenaufnahmen von 3.-KlasseWagen (C4) nachweislich belegen, waren die HF-Wagen aus dem Jahr 1943 mit einer Niederdruckumlauf-Dampfheizung und zwei Kohleöfen ausgestattet. Während Klappsitze und Zwischentüren analog den entsprechenden DRG-Wagen von 1930/1932 zum Einbau kamen, fehlten den Sitzbänken die Kopfstützen. Auch die Lüfter und Lampen entsprachen moderneren Bauformen. Es ist davon auszugehen, dass viele der in Friedenszeit noch aus Messing gefertigten Teile nun aus minderwertigerem Material hergestellt worden sind. Schwarzweißfotografien deuten auf Weißmetall/Aluminium hin. Als Gepäckablage gab es zwischen den Fenstern angeordnete stabile Holzablagen, wie sie aus sächsischen Traglastenwagen der Gattung 729 bekannt sind. Fotos vom Einsatz der Wagen in Finnland zeigen über den Fenstern angebrachte Rolljalousien, die zur Verdunkelung gedient haben könnten. Durch die vergleichsweise niedrigeren Sitzlehnen entstand im Inneren der HF-Wagen ein geräumigerer Eindruck, als es bei den ähnlichen DRG-Wagen spürbar ist. Mit 42 Sitzplätzen (ohne Klappsitze) und Abort galten die C4-Fahrzeuge an der Front als "Luxus-Wagen". Über die Innenausstattung der 2.-Klasse-Wagen kann keine Aussage getroffen werden. Eine markante Abweichung zu den DRG-Wagen von 1929-1932 stellte das - im Wageninneren an der Stirnwand zur Bühne ohne Handbremse - angeordnete Dienstabteil dar. Dieser schmale bis zum Wagendach reichende verschließbare Schrank anstelle der letzten Sitzbank auf der Toilettenseite der Fahrzeuge diente zur Lagerung von betrieblichen Utensilien, möglicherweise aber auch von Gepäck oder - an der Front - von Waffen. Die Auswertung aller bisherigen Publikationen deutet darauf hin, dass 1943 mindestens elf HF-Wagen mit 14,60m LüP gebaut worden sind. Dabei geht der Autor davon aus, dass vom HF-Wagen 714 bis zum HF-Wagen 724 alle Nummern belegt waren. Da die Sowjets nach 1945 den Großteil der damals aktuellen Unterlagen der Linke-Hofmann-Busch-Werke in Bautzen beschlagnahmten, gibt es keinerlei Aufzeichnungen, wie viele Fahrzeuge dieser Bauart und wann während des Zweiten Weltkrieges produziert worden sind.
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Der Einsatz der HF-Wagen bis 1945
Das zentrale "Depot" aller HF-Wagen befand sich im Heimat-Pionierpark Rehagen-Klausdorf bei Berlin und unterstand der Waffenprüfanstalt 5 (WaPrüf 5) mit dem Sitz in Berlin, ab 1944 - nachdem es dort ausgebombt war - mit dem Sitz in Sperenberg, südlich der Reichshauptstadt. Als Einsatzort der Wagen während des Krieges ist bisher lediglich die Strecke von Hyrynsalmi nach Kuusamo in Finnland bekannt. Aufgrund ihrer soliden Inneneinrichtung und Ausrüstung mit Aborten waren die modernen HF-Wagen dort sehr beliebt. Eingesetzt wurden sie vor allem im Front-Urlauberverkehr. Obwohl die Deutsche Wehrmacht im Herbst 1944 den geordneten Rückzug aus Finnland antrat, sollen nach Angaben des finnischen Eisenbahnfreundes Olavi Kilpiö mit dem Einmarsch der Roten Armee im Frühjahr 1945 etwa 20 verschiedene HF-Wagen beschlagnahmt und in die Sowjetunion abtransportiert worden sein. Ob sich darunter auch die im Jahr 1943 gebauten HF-Wagen befanden ist unbekannt. Auch ist die Anzahl der in Finnland eingesetzten HF-Wagen nicht geklärt. Unscharfe Bilder belegen jedoch den Einsatz von mindestens vier solcher HF-Wagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Strecke abgebaut. Nach dem Vorrücken der Roten Armee auf deutsches Territorium ließ die Eisenbahn-Pionierschule Anfang 1945 zahlreiche der in Rehagen-Klausdorf verbliebenen Fahrzeuge abtransportieren. Dabei war aber auch Rückführmaterial von der Front, dass vor allem zur Heeresversuchsstelle Mittersill an der Pinzgauer Lokalbahn überführt wurde. Das ist übrigens ein Indiz dafür, dass man damals eine Wiederabspaltung Österreichs vom Reich nicht in Erwägung gezogen hat. Einsätze der Wagen für die Wehrmacht auf der Pinzgauer Lokalbahn sind nicht überliefert.
Einsätze in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR
Aus dem Bestand der nach Kriegsende in Rehagen-Klausdorf vorhandenen HF-Fahrzeuge übernahmen 1948 die Landesbahnen Brandenburg den "langen" HF-Wagen 722 für die Luckenwalde-Jüterboger Eisenbahn. Diese bezeichnete den C4 als Wagen Nr. 401. Nach der Übernahme der privaten Kleinbahnstrecken durch die Deutsche Reichsbahn (DR) reihte ihn diese als 7.0753 bzw. ab 1958 als 970-222 in den Bestand ein. Als solcher verkehrte er bis zur Einstellung des Reiseverkehrs auf dem Dahmer Schmalspurnetz am 25. Mai 1963 auf den Strecken von Dahme (Mark) über Hohenseefeld nach Jüterbog bzw. von Hohenseefeld nach Luckenwalde. Per Verfügung der Hauptverwaltung Wagenwirtschaft der DR vom 2. September 1964 wurde der Wagen an den VEB Braunkohlenkombinat Lauchhammer verkauft. Von Dahme (Mark) lieferte die DR den 970-222 dazu an den Bahnhof Lauchhammer Ost, Anschlussgleis BFG Lauchhammer, Nebenanschluss Koyne. Hier verliert sich die Spur des Reichsbahn-Unikats. Der Verbleib weiterer HF-Wagen dieses Bautyps in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR ist nicht belegt. Hinter dem in der Literatur erwähnten zweiten HF-Wagen, der im Jahr 1948 ebenfalls von der Luckenwalde-Jüterboger Eisenbahn übernommen worden sein soll, verbirgt sich nach jüngsten Forschungsergebnissen nachweislich kein HF-Wagen. Es handelt sich dabei vielmehr um den ehemaligen Triebwagen Nr. 30 der Insterburger Kleinbahn (IKB 30), der in den letzten Kriegsmonaten von Ostpreußen nach Mitteldeutschland überführt worden war. Das einzigartige Fahrzeug diente bei der Luckenwalde-Jüterboger Eisenbahn allerdings nur als Ersatzteilspender und wurde wenig später zerlegt!
Mit freundlicher Genehmigung von www.hfwagen.de, Jelle Jan Postma 24.03.2019
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